Vereinigte Staaten von Europa jetzt

für ein demokratisches, föderales, vereingtes Europa

13.05.2014

In der Zeit vom 9.5.2014 schreibt der Autor Luuk van Middelaar auf Seite 6: „Die Krise des Euro und der Kampf um die Ukraine zeigen: Europa ist eine politische Einheit – und sie schafft sich gerade neu“

Der Autor behauptet darin, dass die EU kein Bundesstaat nach amerikanischem Muster werde, es blieben die Nationalstaaten und es bliebe der Euro. Ferner schreibt er, dass die Föderalisten, damit sind die Anhänger der Idee der Vereinigten Staaten von Europa gemeint, durch ihre Forderung das Vertrauen in das bestehende Europa untergrüben, da sie behaupteten, eine Ideallösung zu haben, die besser als alles bisher Erreichte sei. Und damit redeten und schrieben sie das Erreichte schlecht.

Es ist dem Autor zugutezuhalten, dass er das Bleiben der bisherigen europäischen Errungenschaften nicht nur behauptet, sondern auch wünscht. Bravo: Der Autor ist und bleibt ein überzeugter Europäer. Das unterscheidet ihn schon einmal von einem Europa- und einem Euro-Gegner.

Dem Autor sind allerdings zwei wesentliche Einwände zu machen: Woher will er wissen, was in der Zukunft beständig ist und worauf gründet sich seine Behauptung, die föderale Vorstellung von Europa schade dem bisher Erreichten.

Der ersten Aussage, alles bisher Erreichte bleibe bestehen, kann man weder mit Gewissheit zustimmen noch kann man sie mit Gewissheit verneinen. Man kann lediglich darauf hoffen.

Der zweiten Aussage, die Forderung nach einem föderalen Europa in Gestalt der Vereinigten Staaten von Europa schade dem status quo und seinen kongenialen Lösungen, kann man hingegen aus mehreren Gründen widersprechen. Zunächst einmal ist festzuhalten, dass es durchaus ernstzunehmende Föderalisten gibt, die sich durchaus bewusst sind, dass Europa in der jetzigen Form sich durchaus sehen lassen kann und über erhebliche Fortschritte in der Behandlung von europäischen Problemen in den Jahrzehnten nach dem 2. Weltkrieg gemacht hat. Der Euro gehört ihnen zufolge zu einem solchen Erfolg. Diese Erfolge sollten auch auf keinen Fall schlechtgeredet werden und erst recht nicht rückgängig gemacht werden. Auch stellt für sie das Staatsgebilde Vereinigte Staaten von Europa kein Paradies auf Erden dar. Warum hängen sie (die Föderalisten) dann aber an der Verwirklichung dieser Idee, was treibt sie an?

Der Autor beschreibt den Umgang mit der Euro-Krise und den Umgang der EU mit der Ukraine-Krise als eine mustergültige Lösung, die auf dem mustergültigen EU-Parkett verhandelt wurden. Das scheint aber ein wenig zu hochgegriffen zu sein. Die Euro-Krise, dass hofft wohl jeder Gutmeinende, ist vorerst ausgestanden. Ist sie aber ein- für allemal vom Tisch? Es gibt immer noch und hoffentlich nicht zunehmend Europäer, die den Euro abschaffen wollen. Und es gibt immer noch erhebliche Risiken in Banken und Staaten, die momentan gebannt zu sein scheinen, aber doch noch nicht gelöst sind. Auch ist der ausgehandelte Bankenrettungsfonds prinzipiell zu klein und das Prozedere, Gelder aus dem Fonds länderübergreifend einsetzen zu können zu kompliziert und zu langwierig (dazu siehe auch Die Zeit vom 16.4.2014 Seite 25, „Wer entsorgt die Pleitebanken?“). Ebenso sei dem geneigten Leser der Artikel „Ich habe eine Mission“, ein Interview mit Geert Wilders, gleich auf der nächsten Seite des hier besprochenen Artikels von Die Zeit vom 8.5.2014 ans Herz gelegt. Dies Interview zum Thema der Beständigkeit.

Den Umgang mit der Ukraine-Krise als gelungene „in-between-Lösung“ darzustellen dürfte wohl gelinde gesagt auch ein wenig sehr gewagt sein. Zum Ausgang dieser Krise können wir alle überhaupt noch nichts sagen.

Der Autor Luuk van Middelaar ist nicht der einzige, der in letzter Zeit schreibt, dass die Föderalisten Idealisten seien, die durch ihren (europäischen) Idealismus dem real existierenden europäischen Zustand den Boden entzögen. Nein, nicht zufriedenstellende Lösungen von real existierenden Problemen entziehen bei den Menschen das Vertrauen in die Problemlösung und bei wiederholten mangelhaften Lösungen auch das Vertrauen in die angewandte Lösungsmethode. Danach kommt dann auch der Vertrauensverlust in die Institutionen. Statt zu sagen „Das Bessere ist der Feind des Guten“ sollte man sagen, eine zufriedenstellendere Problemlösung (z. B. Eine Lösung, die mehr Arbeitslose in Brot und Arbeit gebracht hat) ist einer weniger zufriedenstellenden Lösung vorzuziehen. Wenn eine Lösung in diesem Sinne zufriedenstellend ist, hat sie für den Moment Bestandskraft. Der Mensch hört aber nicht auf, nach noch zufriedenstellenderen Lösungen zu suchen. Das ist eine tiefe menschliche Grundeigenschaft.

Die Vereinigten Staaten von Europa sollen in diesem Sinne zufriedenstellendere Problemlösungungswerkzeuge und -methoden an die Hand geben, das steckt hinter dieser Idee. Nicht die Vorstellung eines Idealzustandes als ein Quasiparadies. Das Streben und Suchen der Menschen hört dann auch in diesem föderalen Staat nicht auf.

Wir können nur hoffen, dass wir den richtigen Augenblick, den Zipfel der Geschichte zu fassen bekommen, um Europa zufriedenstellender hinzubekommen, hin auf dem Wege zu einem Mehr an Europa. Irgendwie kann man sich des Gefühls nicht erwehren, dass wir zur Zeit wegen der vielen großen Probleme in einem historischen Zeitrahmen stehen. Die Türen zu mehr Europa stehen himmelweit offen, könnte man meinen. Ein Augenblick, der uns erlaubt, einen sehr großen Schritt nach vorne zu gehen. Solche Augenblicke kommen nicht jeden Tag.