Vereinigte Staaten von Europa jetzt

für ein demokratisches, föderales, vereingtes Europa

08.01.2019

Essay: Es wird allerhöchste Zeit, über die Neugründung Europas nicht nur nachzudenken


Es gab Zeiten und nachdenkliche Menschen, die die existierende Welt bzw. das All als die beste aller möglichen Welten betrachteten. Aus Gründen ihres Glaubens an einen vollkommenen Schöpfer oder auch aus Gründen einer abwägenden Vernunft. Auch für uns heute spricht einiges dafür, die Welt bzw. das Zusammenspiel der Himmelskörper im Universum für (ziemlich) gelungen zu halten. Ach was, für (ziemlich) vollkommen zu halten.


Wie verhält es sich nun mit dem Zusammenspiel der Menschen auf unserer Mutter Erde? Wer da behaupten würde, wir Menschen lebten auf der besten aller möglichen  Erden der spräche sicher nicht von unserer real existierenden Erde. Wir hielten einen solchen Menschen für einen Ignoranten. Wir Menschen von heute sprechen zwar gerne mit Worten im Superlativ ("das ist ja wunderbar!", "großartig", der schnellste Läufer aller Zeiten"), wir steigern sogar noch Wörter im Superlativ, grammatikalisch und logisch natürlich falsch. Aber unser Zusammenspiel auf unserer Erde ist doch ziemlich verbesserungswürdig und verbesserungsfähig, so dass wir manchmal sogar davon sprechen, dass unsere Erde menschengemacht haarscharf am Abgrund vorbeischrammt.


Könnten wir unser Zusammenleben auf der Erde so gestalten, dass keine Menschen hungern oder dursten, dass keine Menschen in kriegerischen Auseinandersetzungen sterben oder verkrüppelt werden, dass keine Menschen an Krankheiten leiden müssen wie in Ländern mit genügend Ärzten und Medikamenten, dass keine Menschen an Umweltverschmutzung und menschengemachter Umweltzerstörung leiden. Die Frage können wir eindeutig beantworten, es wird kein Mensch widersprechen (können): wir könnten es. Warum tun wir es dann nicht? Sind wir zu schwach, fehlt es uns am Willen? Wir fragen weiter, wie müssten wir das Zusammenspiel der Menschen auf dieser Erde organisieren bzw. gestalten, damit wir das Ziel erreichen, allen Erdenmenschen das zukommen zu lassen, was ihnen als Mensch zusteht? Auch darüber haben Menschen vor uns schon nachgedacht. Eine Weltregierung haben sie gefordert, mit einer Weltpolizei und einem Weltparlament und einer Weltgerichtsbarkeit.


Fangen wir bescheidener an und fragen uns, ob wir nicht vor der Weltverbesserung unseren Europäischen Kontinent so gestalten können, dass Europa in die Lage versetzt wird, unsere europäischen Probleme zu lösen, die nebenbei bemerkt ja auch Teil der Weltprobleme sind. Und die Lösung dieser europäischen Probleme eben auch einen Teil der Weltproblemlösung darstellt.


Die Europäische Union in ihrem jetzigen Zustand einerseits als ein übernationaler Vertragszusammenschluss von unabhängigen europäischen Staaten, die sich immer wieder zusammenraufen müssen, um ihre transnationalen Probleme zu lösen, ist ein Fortschritt gegenüber einem Zustand, in dem jeder Einzelstaat vor sich hin "wurstelt". Das komplizierte Zusammenspiel unserer europäischen Länder ist auch oft mehr schlecht als recht in den Jahren nach dem 2. Weltkrieg bis heute gelungen. Einiges, oft sogar wesentliches wie beispielsweise die gerechte Aufnahme von Flüchtlingen in jüngster Zeit, ist aber auch nicht gelungen. Die Mehrzahl der Probleme, die wir teilweise unter großen Verhandlungsschmerzen lösen konnten, ließen es zu, dass ihre Lösungen in einem langwierigen Diskussionsprozess und Abstimmungsprozess abgehandelt werden konnten. Die Probleme aber, die mehr und mehr auf die Europäischen Institutionen zukommen, erfordern andere, bessere Lösungsmodalitäten.


Die zu lösenden Probleme sind zunehmend größer geworden, sie sind dringender geworden und mehr und mehr Europäer wollen und spüren, dass ein vereinigtes Europa am ehesten Gewähr dafür bietet, diese Probleme zu lösen. Die in der Vergangenheit oftmals bezweifelte europäische Identität ist mehr und mehr gewachsen. In vielen europäischen Ländern gehen die Bürger auf die Straßen, um für ein vereinigtes Europa zu demonstrieren.


Immer mehr Probleme in Europa (und generell in der ganzen Welt), die nominell noch italienische oder deutsche oder französische oder bulgarische oder englische etc. sind, werden zu übernationalen, gleichsam zu Problemen aller. Immer mehr Menschen wissen, dass Oberitalien von einem Erdbeben heimgesucht wurde, dass in Portugal die Wälder brennen, dass in Marseille etliche alte Häuser eingestürzt sind, dass in Nordirland wieder irische Nationalisten Autobomben zünden. Zu sagen, dass seien doch deren Probleme greift zu kurz. Die Menschen haben mehr und mehr nicht nur das Gefühl bzw. das Empfinden, das seien auch ihre Probleme, nein, sie fühlen sich auch mitbetroffen und mitverantwortlich. Die Unterscheidung von außenpolitischen und innenpolitischen Angelegenheiten verwischt sich mehr und mehr. Die Probleme werden als innereuropäische wahrgenommen, als Probleme wahrgenommen, die alle angehen.


Unsere Problemlösungsmöglichkeiten sind hingegen sehr eingeschränkt. Wir haben in Europa ja noch 28 souveräne Staaten, die sich nicht reinreden lassen wollen von den anderen Regierungen. Dasselbe gilt auch bei außereuropäischen Problemen. Alle 28 europäischen Regierungen müssen zusammenkommen, um darüber einen Konsens zu bilden, wie man diesem Problem begegnen soll. Dann kann es sein, dass das Problem ohne unsere europäische Mitwirkung seinen Lauf nimmt, alleine schon weil die Lösung dieses Problems nicht auf die Entscheidung der europäischen Regierungen warten kann. Oder, dass überhaupt keine angemessene Problemlösungsentscheidung zustande kommt. Die Frustration der europäischen Bürger steigt. Wie viele Menschen gehen mittlerweile auf die Straße, weil die Antwort der europäischen Politiker auf solch ein Problem zu lange auf sich warten läßt oder an einer angemessenen Lösung vorbeigeht.


Wie können wir dieses Grundsatzproblem, dieses strukturelle Problem lösen, denn es ist ein Strukturproblem. Die Probleme sind zunehmend übernationale Probleme, unsere Entscheidungsfindungsstruktur ist aber immer noch im wesentlichen eine sehr stark national geprägte.  Ganz einfach: wir schaffen die Vereinigten Staaten von Europa, möglichst jetzt.


Die Rendite dafür werden wir Europäer umgehend kassieren. Ein europäisches Parlament mit verfassungsgemäßer Entscheidungs-Kompetenz diskutiert über das Problem, eine europäische Regierung exekutiert diese Entscheidung und eine unabhängige europäische Judikative läßt dem Bürger die Möglichkeit, die Übereinstimmung mit der Verfassung vor einem Gericht überprüfen zu lassen. Das ist prinzipiell nichts Neues, das sind die Grundzüge einer demokratischen, gewaltengeteilten Ordnung. Was sind die besagten Renditen bzw. die Vorteile, die wir Europäer davon haben?


Wir werden eine Steuerpolitik aus einem Guss haben. Internationale Unternehmen, die in einem oder mehreren oder allen europäischen Ländern Geschäfte machen zahlen e i n e Steuer in Europa, die allen Europäern gleichermaßen zugute kommt. Für den Unterhalt von europäischen Straßen, Eisenbahnen, Kindergärten etc..


Wir werden eine solidarische Sozialpolitik aus einem Guss haben. Ein bulgarischer arbeitsloser Arbeitnehmer wird einem portugiesischen oder deutschen arbeitslosen Arbeitnehmer gleichgestellt. Das heißt dann nicht unbedingt, dass alle Arbeitslosen das gleich hohe Arbeitslosengeld beziehen müssen, denn ein arbeitsloser Arbeitnehmer in Palermo hat höhere Lebenshaltungskosten als ein arbeitsloser Arbeitnehmer in einem rumänischen Karpatendorf. Eine europäische solidarische Arbeitslosenversicherung sichert jedem europäischen Arbeitnehmer allerdings die gleichen Rechte zu: bei einer Arbeitslosigkeit seinen angemessenen Lebensunterhalt zu erhalten, für die gleiche Zeit wie alle anderen in Europa. Dieselbe Überlegung sollte auch für einen arbeitslosen Arbeitnehmer in München oder in Kleve gelten. Unterschiedliche Lebenshaltungskosten, wozu auch die Mieten zählen, sollten in das Arbeitslosengeld einfließen. Wie diese zum Teil komplizierten Berechnungen dann konkret aussehen werden, kann getrost einem europäischen Parlament überlassen bleiben. Entscheidend ist dann, es gibt keinen arbeitslosten Arbeitnehmer in ganz Europa mehr, der ohne Absicherung seines Lebensunterhaltes bleibt.


Die Unternehmen in einem vereinigten Europa haben nur noch einen einzigen Unternehmensrechtsrahmen. Das bedeutet für sie eine erhebliche Vereinfachung gegenüber dem jetzigen Zustand. Dadurch werden Investitionen der Unternehmen im vereinigten Europa erheblich vereinfacht und attraktiver gemacht.  Die Unternehmen werden angeregt, durch die hoffentlich vermehrten Investitionen, neue Arbeitsplätze zu schaffen. Das bedeutet für Arbeitnehmer und Unternehmer eine win-win-Situation. Insgesamt kann man davon ausgehen, dass in einem vereinigten Europa mit einem einheitlichen Steuer- und Unternehmensrecht die Geschäftstätigkeit zunimmt. Es wird dann für einen spanischen Unternehmer keine Hürde mehr geben, mit seiner Geschäftsidee nicht nur in Spanien sein Glück zu versuchen, sondern auch in Holland oder in Rumänien. Auch die Arbeitnehmer werden zunehmend flexibler, ob sie nun in Irland oder in Belgien arbeiten, die rechtlichen bzw. gesetzlichen Standards ihrer Beschäftigung sind dann gleich, ihre Renten erhalten sie von einer europäischen Rentenanstalt.


Die Umwelt- und Klimapolitik wird in einem vereinigten Europa aus einem Guss gemacht. Das Klima, das vor keiner Ländergrenze haltmacht, wird endlich länderübergreifend geschützt. Ob ein polnisches Kohlekraftwerk oder ein deutsches Kohlekraftwerk, die Kohlekraftwerke werden gleichermaßen für den Klimaschutz abgeschaltet. Ihre Zeit ist zu Ende bzw. muss zu Ende gehen. Das gleiche gilt für die Atomkraftwerke, seien es französische oder belgische. Sie gehören, das ist unter Umwelt- und Klimaschützern unbestritten, abgeschaltet zugunsten von erneuerbar und nachhaltig produzierter Energie. Ein europaweites Stromversorgungsnetz für den erzeugten Strom, der umwelt- und klimafreundlich und zu Kosten produziert wird, die auf dem Weltmarkt konkurrenzfähig ist, ist ein unbezahlbarer Vorteil gegenüber nationalen Stromversorgungen. Die lassen zwar auch eine Kooperation mit anderen nationalen Stromversorgungen zu, allerdings nicht so effektiv und für Unternehmen interessant wie in einem vereinheitlichten Strommarkt innerhalb eines vereinigten Europa. Das europäische und weltweite Klima wird sich bei solch einem vereinigten Europa bedanken. Die Europäer ebenfalls.


Die Asyl- und Flüchtlingsprobleme werden sich in einem vereinigten Europa quasi von alleine erledigen. Die vom europäischen Parlament zu beschließenden Gesetze dazu gelten ausnahmslos in allen Teilstaaten des europäischen Föderalstaates. Herr Orban und Herr Kaczinsky und etliche andere Damen und Herren können ihren Hut nehmen und in den wohlverdienten Ruhestand gehen. Überhaupt gibt es in einem vereinigten Europa keine Demokratie- und Gewaltenteilungsdefizite mehr. Das wird schon in der zu schreibenden und zu verabschiedenden europäischen Verfassung festgeschrieben. Jetzt werden solche Werte in vertraglichen Vereinbarungen niedergelegt und dennoch von einigen Staatslenkern mit Füßen getreten.

Ein weiteres Beispiel für die Notwendigkeit der Vereinigung unserer europäischen Länder zu einem europäischen Staat ist die Notwendigkeit einer europäischen Außen- und Sicherheits- bzw. Friedenspolitik aus einem Guss. Der syrische Bürgerkrieg mit seinen Flüchtlingsproblemen und seinen unzähligen Opfern hätte sich, eine europäische Armee vorausgesetzt, anders als geschehen lösen lassen. Die europäische Armee hätte zusammen mit amerikanischen Streitkräften in Nordsyrien zusammen mit den kurdischen Kräften eine Flugverbotszone einrichten können und den verfolgten Syrern einen Schutzraum vor ihren Henkern und Verfolgern bieten können. Wieviele Menschenleben wären dadurch gerettet worden, wie vielen Flüchtlingen wäre eine Flucht quer durch Europa erspart geblieben. Die europäische Armee hätte im besten Falle das getan, was alle von einer Armee wünschen und erwarten, sie hätte für verfolgte und bedrohte Menschen Frieden bewahrt, ja sogar erst hergestellt. Im besten Falle hätte sie das tun können, ohne einen Schuss abgeben zu müssen, alleine durch ihre schiere Existenz zusammen mit den amerikanischen und nordsyrischen Verbündeten.


An dieser Stelle sei einmal skizziert, welche Funktion und welches Potential eine europäische Armee haben sollte. Die zu schaffende europäische Armee sollte Friedensarmee heißen. Ihre Aufgabe ist wie die Aufgabe der NATO, Friedensherstellung und Friedenserhaltung allein durch ihre Existenz zu garantieren. Sie soll das nicht nur für uns Europäer tun, sondern auch für unsere unmittelbaren oder mittelbaren Nachbarn. Sie soll auch der UNO zur Verfügung stehen, wenn denn die Weltgemeinschaft und das europäische Parlament dem friedensherstellenden oder friedenserhaltenden Auftrag dazu erteilt. Eine europäische Armee mit 27 bzw. 28 Verteidigungsministern und 27 bzw. 28 europäischen Regierungen und Parlamenten und einem europäischen Parlament ohne verfassungsgemäße Entscheidungsmacht darüber ist nicht vorstellbar, geschweige denn funktionsfähig.


Lassen wir es mit diesen beispielhaften Betrachtungen über die Chancen von Problemlösungsmöglichkeiten eines vereinigten Europa bewenden. Es lassen sich noch eine Menge anderer Problemfelder anführen, deren Lösungspotential in einem wesentlich anderen Rahmen aufscheinen. Letztlich entscheiden über die Lösungsmöglichkeiten in einem vereinigten Europa die demokratischen Instanzen, die dafür legitimiert sind: Das Europäische Parlament und die zu wählende Europäische Regierung.


Eine gewichtige Zeugin für die Notwendigkeit einer Neuorganisation und Neuregelung problemlösender Strategien übernationaler Organisationen, ausdrücklich auch der Europäischen Union, ist unsere Bundeskanzlerin Angela Merkel. Nicht zu vergessen ist hierbei der französische Präsident Macron, der noch vor ihr bei seiner Rede in der Sorbonne den Finger in die europäische Wunde legte. In ihrem Vortrag vor dem Weltwirtschaftsgipfel in Davos sprach Angela Merkel nun genau auch über diese Notwendigkeiten. Um Probleme wie z. B. die oben geschilderten lösen zu können, sei es unerläßlich, übernational eng und zügig effektiv zusammenzuarbeiten, um die immer drängenderen Probleme lösen zu können. Es entstünden sogar neue konkurrierende Zusammenschlüsse von Ländern, wenn sich bestehende Zusammenschlüsse, wie eben auch die EU, als zu träge und langsam erwiesen, um diese drängenden bestehenden Probleme zu lösen.

Eine unerläßiche Bedingung für eine Neugründung Europas ist die notwendige Zustimmung der europäischen Bürger zu einem solchen Staatsgebilde. Es wurde in der Vergangenheit sehr viel darüber geschrieben und gesprochen, dass eine Vereinigung Europas mangels einer europäischen Identität scheitere. Wenn man sich in Europa umschaut und die vielen Menschen auf europäischen Straßen und Plätzen sieht, die für ein vereinigtes Europa demonstrieren, dann kann man doch sehr wohl davon ausgehen, dass die Europäer über eine europäische Identität verfügen. Vor allem viele junge Europäer. Wie viele Europäer letztendlich bei einer Volksabstimmung für ein vereinigtes Europa, für die Vereinigten Staaten von Europa stimmen würden, wissen wir nicht. Es wäre auch nicht ratsam, ohne intensive Diskussionen und ohne intensive Informationen über so eine Entität abstimmen zu lassen. Denkbar wäre ja, die europäischen Bürger aufzurufen, an der Verfassung eines Vereinigten Europa mitzuarbeiten und dann darüber abstimmen zu lassen, statt diese "nur" von den nationalen und dann einem gewählten europäischen Parlament zu verabschieden.


Ob die Vereinigten Staaten von Europa die beste aller möglichen Europäischen Welten wäre, das läßt sich nicht ohne weiteres beantworten, wir können es auch nicht wissen. Nach den hier dargelegten beispielhaften (europäischen) Problemen und ihren Problemlösungsmöglichkeiten wären die Vereinigten Staaten von Europa aber mit Sicherheit ein besseres Europa als das bestehende, denn es böte ein wesentlich höheres Problemlösungspotential als das bestehende komplizierte und langwierige Regulierungswerk der Europäischen Union, und dem scheinen mehr und mehr Europäer ebenso zuzustimmen.


Allein schon deswegen, weil ein vereinigtes Europa, die Vereinigten Staaten von Europa, viel mehr und größere Problemlösungsmöglichkeiten bietet als ein vertragsgebundenes Europa à la Europäische Union in seiner jetzigen Form, sollten wir Europäer zügig an seiner Verwirklichung arbeiten.