Vereinigte Staaten von Europa jetzt

für ein demokratisches, föderales, vereingtes Europa

15.11.2014

Egon Bahr, elder statesman der BRD, enger Vertrauter Willy Brandts, schreibt in einem Gastkommentar der Süddeutschen Zeitung vom 15./16.11.2014 mit der Überschrift „Ein neues Eropa mit England“ über die aktuellen und alten Probleme der Briten mit Europa und über das Problem der EU mit den Briten. Bahr möchte, dass die Briten in der EU bleiben und  das Verhältnis der Briten zur EU und umgekehrt durch Vertragsänderungen auf eine neue Basis gestellt wird. 

Die Probleme der Briten mit der EU bzw. mit Europa sind ein altes Problem, nämlich die Extrawurst der Briten bei bestimmten Zahlungen an die Gemeinschaftskasse in Form eines Abschlages und die schon von jeher vorhandene Euroskepsis, man könnte auch sagen, Europafeindlichkeit der Briten in großen Bevölkerungskreisen. Das neue hinzugekommene Problem ist die Angst der europafreundlichen Parteien und europafreundlichen Teile von Parteien vor dem Wähler, zumal die drohende Volksabstimmung der Briten über den Verbleib in der EU 2017 ins Haus steht. Jetzt hat Herr Cameron den Salat, den er sich aus lauter Angst vor dem Wähler eingebrockt hat. Im übrigen aber haben jetzt nicht nur die europafreundlichen Briten Angst, sondern auch die anderen Europäer. Was wird aus Europa angesichts dieser Lage in England?

Daneben habe England besonders enge Beziehungen zu den USA. Diese Beziehung sei für die Briten unverbrüchlich.

Das Problem der EU wiederum sei die sinkende Bevölkerungszahl, sinkende Wirtschaftskraft und dadurch bedingte sinkende Verlust an Anziehungskraft für Dritte, z. B. Norwegen oder für bereits bestehende Mitgliedsländer wie z. B. Schweden.

Bahr sagt nun, lasst Britannien seine Sonderrolle und unverbrüchliche Beziehung zur USA (z. B. enge Geheimdienstaktivitäten USA mit GB) und im Gegenzug solle Britannien keinen Gebrauch seiner opting-out-Möglichkeit mehr machen. Damit seien beider Probleme gelöst. Das ganze geschieht auf der jetzt schon bestehenden Vertragspartnerschafts-Basis der EU. Die Verträge sollen nach Bahr modifiziert oder ergänzt werden. Dann ist alles gut und alle sind zufrieden.

Der kritische Punkt bei der Bahrschen Argumentation ist genau in diesem letzten Punkt zu sehen: die Grundlage für das Zusammensein wird durch Verträge geregelt. Dann kommen halt noch welche dazu. Aber die bestehenden Verträge sind doch jetzt schon oft kompliziert genug. Und oft stoßen mögliche Problemlösungen in der EU an Grenzen, nämlich an Probleme, die mit den vorhandenen Verträgen nicht oder nur unbefriedigend zu lösen sind. 

Nehmen wir eines der großen Probleme, das uns Europäern auf den Nägeln brennt: die Auseinandersetzung der Russen mit der Ukraine. Mal angenommen, wir hätten schon jetzt eine europäische Armee. Mit einer einzigen europäischen Führung. Was wäre das für eine Chance für uns und die Ukrainer und die russischen Menschen selber, wenn wir mit dieser unserer europäischen Armee den verrückten Putin in seine Schranken weisen könnten. Wohlgemerkt, allein durch die Existenz einer solchen Armee. Wenn man viele Russen, die in Deutschland leben, fragt, was sie von Putin halten und der Lage in ihrem Lande zur Zeit, dann bekommt man genau dies manchmal zu hören: Ihr Europäer, wenn ihr denn stärker wäret, seid die einzigen, die den verrückten Putin zur Räson bringen könntet. Unser Mütterchen Russland braucht alles andere als eine kriegerische Auseinandersetzung mit der Ukraine. Darauf kann man als Europäer nichts anderes sagen als: hoffentlich sind wir nicht die einzigen.

Um aber eine solche Armee überhaupt auf die Beine stellen zu können langen unsere europäischen Verträge niemals aus. Keine Vertragsänderung wäre dazu in der Lage. Allein in Deutschland stehen dem verfassungsrechtliche Schranken im Wege. Das wäre ein rechtlich unzulässiger Souveränitätsverzicht.

An diesem Beispiel sieht man, das Gebot der Stunde ist nicht eine erneute, 101. Vertragsänderung, sondern die Grundlage der EU vom Kopf auf die Füße zu stellen, nämlich eine europäische Verfassung zu schaffen. Wie lautet wohl die Antwort unserer europafreundlichen Realisten: das können wir nicht machen, ist unrealistisch, wir brauchen eine Lösung, die möglichst rasch zu machen ist.

Lieber Egon Bahr, möchte man sagen, kommt uns das nicht bekannt vor? Bahr selber schreibt das ja auch in dem Artikel. Selbst Willi Brandt sei daran fast verzweifelt. Man kann darauf dann nur antworten, ob das nicht vielleicht  am politischen Führungspersonal liegt. Ähnlich wie bei einem Tormann, der aus lauter Angst vor dem Elfmeter das ganze Spiel seiner eigenen Mannschaft vermasselt.

Man möchte Egon Bahr wie vielen anderen müdegewordenen Europäern zurufen, traut Euch nur zu springen statt kleine Trippelschrittchen zu machen und traut Euch endlich zu sagen, was Ihr wirklich wollt: die Vereinigung Europas, natürlich mit den Briten.