Vereinigte Staaten von Europa jetzt

für ein demokratisches, föderales, vereingtes Europa

08.10.2013

Im Samstagsessay der Süddeutschen Zeitung vom 5./6.10.2013 mit der Überschrift „Ein Europa der Nationen“ variiert der Autor Michael Hüther ein oft gehörtes Argument gegen das Funktionieren des Euro. Es wird argumentiert, in einem Wirtschaftsraum unterschiedlicher ökonomischer Kraft könne eine gemeinsame Währung nicht auf Dauer bestehen. Da es aber nirgendwo je gleiche ökonomische Verhältnisse gegeben hat – nicht einmal innerhalb eines Landes – dürfte es demgemäß überhaupt keine gemeinsamen Währungen für größere Länder geben. Der Autor Hüther argumentiert in seinem Essay nun, „Die Vereinigten Staaten von Europa sind ... eine Schimäre“, weil „Die Europäische Union bildet keinen öffentlichen Raum, ihr fehlt die Öffentlichkeit des Gemeinsamen im umfassenden Sinn der Lebenswirklichkeit, und das hängt nicht nur an der Sprachenvielfalt.“

Die Argumentation basiert auf der Behauptung, es gebe eine bekannte notwendige Bedingung sowohl für das Gelingen des Euro als auch für das Gelingen eines weiteren europäischen Einigungsprozesses. Und dass er bzw. wir diese Bedingungen kennten.

Dem ist entgegenzusetzen, dass es durchaus Bedingungen, sogar notwendige Bedingungen zum Gelingen oder Entstehen des Euro und der Vereinigten Staaten von Europa geben mag, dass die Behauptung diese zu kennen, aber über unser Wissenkönnen hinausgeht.

Die notwendige Bedingung für das Gelingen bzw. erst einmal für das Entstehen der Vereinigten Staaten von Europa ist der Wille der Betroffenen, das ist nach staatsrechtlicher demokratischer Auffassung allerdings die absolute Notwendigkeit. Welche Bedingungen bzw. Voraussetzungen darüberhinaus noch erfüllt sein müssen, können wir garnicht im vorhinein wissen, erst im nachhinein könnten wir darüber räsonieren, warum etwas nicht hingehauen hat. Das ist nun mal so, da die Volkswirtschaft, die Politik und überhaupt die Gesellschaftswissenschaften leider keine Laborversuche machen können. Es handelt sich hierbei eben nicht um eine exakte Wissenschaft.

Neben dieser zugegebenermaßen formalen Betrachtung der Argumentation wollen wir die empirische Prüfung des Hauptargumentes unter die Lupe nehmen. Die Frage kann und muss nämlich gestellt werden: Sind die bereits bestehenden und entstandenen Staaten dadurch entstanden, dass sie die Voraussetzung gehabt haben, die der Autor Hüther zur Entstehung eines Staatsgebildes für erforderlich hält?

Die existierenden Staaten und Nationen sind aus verschiedenen Gründen existent. Außer der Schweiz ist (mir) kein weiterer Staat bekannt, der seine Existenz einem Volksentscheid verdankt. Eine gemeinsame Sprache oder aber eine gemeinsame Gesinnung oder gemeinsame Ethik oder gemeinsame Mentalität als Voraussetzung, geschweige denn notwendige Voraussetzung, scheint nicht der Fall zu sein. Die Macht und der Wille einzelner oder Gruppen steht sicher sehr häufig am Anfang eines Staatengebildes. Danach kommt dann schon die Entwicklung des Gemeinsamen und das allmähliche Zusammenwachsen seiner Bewohner. Auch die Hochsprachen bzw. gemeinsamen Sprachen sind doch vielfach so entstanden, nämlich als die Verwaltungssprache.

Als Fazit kann man festhalten: Die Vereinigten Staaten von Europa kann man nur in der Hinsicht eine Schimäre nennen, weil der derzeitige gemeinsame Wille zu seiner Gründung fehlt bzw. zu fehlen scheint (allerdings hat uns auch noch keiner gefragt). An sich aber ist er eine alte Vision, die nur den Willen und die Tatkraft seiner Bewohner benötigt. Wer hingegen behauptet, formale oder materiale Gründe stünden dem Projekt Vereinigte Staaten von Europa prinzipiell im Wege, dem kann mit Fug und Recht die Frage gestellt werden, ob es ihm etwa am Willen dafür fehlt?