Vereinigte Staaten von Europa jetzt

für ein demokratisches, föderales, vereingtes Europa

05.01.2015

In Die Zeit vom 4. Dezember 2014 ist ein Interview mit dem Sozialökonomen Jeremy Rifkin abgedruckt. Rifkins zentrale Aussage ist, dass immer mehr Güter produziert werden, die fast nichts kosten. Dies sei Ergebnis des Erfolges der Datenverarbeitungstechnologie. Als Beispiel dafür nennt er heruntergeladene Musik aus dem Internet, Videos daraus und zunehmend auch Produkte, die mit Hilfe eines 3-D-Druckers erstellt werden können.

Deutschland hebt Rifkin besonders hervor, denn hier bei uns sei der Energieerzeugungsmarkt besonders erfindungsreich. Dezentral erzeugter Strom werde gefördert und komme zunehmend in den Stromkreislauf. Der Clou dabei: auch dieser dezentral erzeugte Strom könne fast kostenlos produziert werden, da die einmalig zu investierende Anschaffung eines Windrades z. B. und die minimalen Erhaltung- und Wartungskosten im Verhältnis zum produzierten Strom fast vernachlässigbar seien. Dies sehr zum Verdruss der großen Energieerzeuger, die mit ihren riesigen Kapitalinvestitionen in die „Röhre“ schauen.

Daraus ergibt sich sowohl für das vorhandene und investierte Kapital als auch für die aufzuwendende Arbeit ein immenser Umstellungsdruck. Die Ökonomie eines Staates steht damit vor umwälzenden neuen Herausforderungen: die Rolle des Kapitals sinkt, da der Investitionsbedarf sinkt. Und es werden wesentlich weniger Arbeitnehmer benötigt, um Produkte zu fertigen. Oder es werden Arbeitnehmer benötigt, die Produkte herstellen, deren Erlöse eben nicht ausreichen, um damit ihren Lebensunterhalt zu verdienen.

Rifkin gibt dafür ein für Deutschland sehr krasses Beispiel: Car-Sharing werde unter anderem deshalb stark zunehmen, weil durch intelligente Datenverarbeitung die Verfügbarkeit eines Autos aus einem geteilten Autopool immer leichter möglich ist. Wenn durch solch ein konsequentes Car-Sharing etwa 80 % weniger Autos nachgefragt würden, dann wären auch entsprechend weniger Kapitalbedarf für die Autoindustrie notwendig und eben auch entsprechend weniger Arbeitnehmer.

Wie bei heruntergeladenenr Musik und Videos handelt es sich bei Car-Sharing um ein Beispiel der neuen Sharing-Ökonomie. Andere können bei Dienstleistungsportalen, wie Airbnb (Ferienwohnungen) oder Über (Fahrdienste) gefunden werden.

Hinzu käme nun noch in zunehmenden Maße die 3-D-Druck-Welt, die es ermöglicht, Produkte nach individuellen Vorgaben schnell, flexibel und kostengünstig herstellen zu können.  Das 3-D-Druckverfahren bzw. Produktionsverfahren, sagt Rifkin, sei das Produktionsverfahren, das in der physischen Produktwelt der Ökonomie einen weiteren wesentlichen Schub gäbe in Richtung sinkendem Kapital- und Arbeitskräftebedarf. Ein Beispiel hierfür, das Rifkin allerdings in dem Interview nicht genannt hat, ist die Produktion von Teilen eine Raketentriebwerks im 3-D-Druckerverahren, das in Amerika  erfolgreich getestet wurde.

Man kann sich nun leicht ausmalen, was das für Deutschland, für Europa bedeutet. Rifkin geht davon aus, dass durch die Sharing-Ökonomie und Produktionsverfahren, wie 3D-Druck, innerhalb der nächsten 50 Jahre eine umwälzende Änderung unserer ökonomischen Rahmenbedingungen eintritt. Das bedingt auch grundlegende Umwälzungen auf dem Arbeitsmarkt und den Formen, wie Arbeit angeboten, geleistet und vergütet wird.

Viele Arbeitsverhältnisse werden „dezentral“ werden; will heißen sie folgen keinem Schema von „Arbeitnehmer“ und „Arbeitgeber“ in althergebrachtem Sinne mehr. Arbeit wird als „Sharing“ Dienstleistung von einem Heer selbstständiger „Kleinunternehmer“ angeboten werden, wo immer das möglich ist. Anders als von den Verfechtern des Rückzugs auf nationale oder einzelstaatliche Lösungen erhofft, wird das aber die Globalisierung nicht aufhalten. Billige Produkte sind unabhängig von ihrer Produktionsart global handelbar. Viele Dienstleistungen können ortsunabhängig erbracht werden. Damit kann in so einer Ökonomie kein Staat autark existieren.

Für Europa bedeutet dies alles: wir müssen unsere Gewerkschaften und unser Kapital befähigen, mit den Herausforderungen fertig zu werden. Europa benötigt mehr denn je z. B. einen europäischen sozialen Standard für seine Menschen, damit sie überhaupt existieren können in dieser neuen Arbeitswelt.